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850 Euro für Gartenschuhe? Liebe Designer, ist das wirklich euer Ernst?

Die Balenciaga "Foam embellished platform clogs" kosten bei Barneys New York schlappe 850 Dollar / Photo: Barneys
Die Balenciaga "Foam embellished platform clogs" kosten bei Barneys New York schlappe 850 Dollar / Photo: Barneys

Ich mag Mode. Schon immer. Doch im Moment verstehe ich sie nicht. Erst heute morgen, als ich durch meinen Facebook Feed scrollte, wurde mir die Ratlosigkeit über Trends wieder bewusst. Fast erschlagen wurde ich von einem Paar Schuhen, das mir als genialster Coup der Fashionwelt präsentiert wurde. In grellstem Rosa leuchten sie mir entgegen. Der Absatz eine etwa 15 Zentimeter dicke Geschwulst aus Plastik, garniert mit einem pinkfarbenen Riemen, der sich um die Ferse der Trägerin schmiegen soll – falls das bei diesem Material überhaupt möglich ist. Preis: 850 Dollar (ca. 700 Euro). Verziert ist das Ungetüm mit kunterbunten Pins, die einen Mops, den Eiffelturm oder eine exotische Blume zeigen. Doch beim Label-Aufstecker müssen wohl bei modeverrückten Menschen alle Sicherungen durchbrennen, ihre Geschmacksnerven blockieren und einen Kauf-Reflex auslösen. BALENCIAGA. Eine Marke, die eigentlich für Zurückhaltung und reduzierte Schnitte und Formen steht, knallt seit dem letzten Designerwechsel Saison für Saison neue Trends in den Modekosmos, die nach Aufmerksamkeit nur so brüllen. Und mein Stilbewusstsein ins Wanken bringen. 

 

Als Demna Gvasalia, der kreative Kopf hinter der Marke, mit seinem Design-Kollektiv Vetements DHL-Shirts (wohlgemerkt für 250 Euro) auf den Markt brachte, lachte man noch. Es war irgendwie cool, anders und endlich mal wieder rebellisch.

 

Dann kam seine Zeit bei Balenciaga. Er verjüngt seit Ende 2015 die Marke, gibt ihr zweifellos wieder Relevanz im Fashion-Universum, die sich nicht nur in der Häufigkeit ihres Vorkommens in High Fashion Magazinen oder auf Modeblogs und Instagram-Posts widerspiegelt, sondern auch im dicken Plus der Umsatzzahlen des französischen Modekonzerns Kering, zu dem Balenciaga gehört (neben Gucci und Saint Laurent). 

 

Photo: Barneys
Photo: Barneys

Gvasalia schickt Models in typisch deutschen Übergangsjacken auf den Runway, teilweise hängen diese über die Schultern – was bei frostigen Temperaturen alles andere als praktisch ist. Er inszeniert Mäntel, die an der linken Schulter geschlossen werden und damit den Körper und das Kleidungsstück verformen. Er kreiert einen Rock, der an eine silberne Fußmatte aus dem Auto erinnert und steckt unsere Füße jetzt also in alles andere als feminin wirkende Plastikschuhe, die High Fashion Version der Crocs. Ihr wisst schon, diese wenig anschaulichen Schuhe, die Mutti zur Gartenarbeit und euer Hausarzt in der Praxis trägt. Bequem, keine Frage. Über das Design lässt sich allerdings streiten. Und bei Balenciaga auch über den Preis. Während die normale Variante etwa 30 Euro kostet, hinterlässt die Design-Pantolette mit 670 Euro Unterschied eine ziemlich große Lücke auf dem Konto.

 

Was würde wohl Cristóbal Balenciaga dazu sagen? Der Firmengründer meinte einst: „Ein Couturier muss ein Architekt für den Schnitt, ein Bildhauer für eine Form, ein Maler für die Farben, ein Musiker für die Harmonie und ein Philosoph für den Stil sein“. Bei diesem Schuh sehe ich eine Ruine, die an Formlosigkeit, Erblindungsgefahr, schiefen Tönen und abgekupfertem sowie nicht vorhandenem Stil kaum zu übertreffen ist.

Photo: Barneys
Photo: Barneys

Es geht mir schon seit einiger Zeit so, dass ich viele Dinge, die gerade im Hause Balenciaga passieren, nicht recht begreifen will. Natürlich ist nicht alles zu hinterfragen, Gvasalia entwirft moderne Mode nah am Zeitgeist, aber doch auch ein paar Ausreißer, die vor allem budgettechnisch Fragen aufwerfen. Wir bekommen Ledertaschen für knapp 1000 Euro angeboten, die man in ähnlichem Design – wenngleich aus Plastik - in jedem China-Laden für 3,99 Euro kaufen kann. Danach kam die Luxus-Variante der Edeka-Tüte oder Scrunchies, die dicken Haargummis aus den 80’s. Bei Balenciaga für schlappe 145 Euro zu erstehen. Stilistische Haltbarkeitszeit: nicht länger als sechs Monate. Das Sattsehen an diesen Teilen kommt schneller als man Balenciaga sagen kann. Wo ist da das Preis-Leistungsverhältnis? Oder ist das bei Design kein wirklicher Messwert?

 

Jetzt sind eben diese Schuhe dran, die mich irgendwie ärgerlich stimmen. Und nicht nur mich. Beim Scrollen durch die Kommentare merke ich, dass ich mit meinem Gefühl nicht alleine dastehe: „Christóbal Balenciaga dreht sich bei diesem Anblick bestimmt im Grabe um“, sagt eine Facebook-Userin. Und weiter „Der neue Designer macht das nur, um Aufmerksamkeit zu erlangen. Was für ein schlechter Geschmack für sein kleines Ego.“

 

Wahrscheinlich gibt es viele Modemenschen, die diesen „schlechten Geschmack“ abfeiern und mir meine Fashion-Expertise absprechen möchten. Aber sorry Leute, ich lasse mich nicht länger von Trends blenden! Und du solltest es auch nicht tun.

 

***

 

PS: Inzwischen sind die Schuhe bei Barneys übrigens Out of Stock! Und ich bin gespannt, bei wem sie bald auf Instagram auftauchen werden...



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Kommentare: 1
  • #1

    Irene (Dienstag, 06 März 2018 21:24)

    Unfassbar hässlich und an Geschmacklosigkeit kaum zu Überbieten. Zum Glück sind ja Trends nur von kurzer Dauer...